FESTINA LENTE 

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Reiseblog Ägäis

24.6.19

Der Wind kam den ganzen Tag erwartungsgemäß aus Nord, aber nicht allzu stetig, meist nur 2Bft. Kaum aus dem Hafen, habe ich alle Segel gesetzt, war auch nicht schwierig, weil kein Schwell. Speziell an der Insel Ägina vorbei mußte ich kreuzen. Weil der Wind so schwach war, ging die Festina Lente bei einer Wende nicht durch den Wind(*), ich mußte halsen. Das habe ich gefühlt 30 mal gemacht. Großsegel und Besan schiften sich von selbst auf die andere Seite, aber bis die Genua rüber ist, kostet das eine Menge Anstrengung.
Je tiefer ich in den Saronischen Golf hineinkam, umso stärker wurde der Wind, sodaß ich das letzte Stück bis Korinth ordentlich segeln konnte. Gerade noch beim letzten Licht habe ich vor dem Strand knapp südlich der Kanaleinfahrt den Anker geworfen. Als ob er darauf gewartet hätte, drehte der Wind nun ordentlich auf. Die Segel, die ich in gewohnter Weise nur heruntergelassen hatte, mußte ich nun festbinden, damit nichts flatterte, (den Besan hatte ich zum Ankern oben gelassen), und ich mußte wiedermal mitansehen, wie der Anker ins slippen geriet. Neben mir lag ein mittelgroßer Katamaran, der mit diesem Verhältnissen sicherlich größere Probleme hatte, weil seine Windlast wohl dreimal so groß ist, als bei der Festina Lente, aber dessen Anker hielt offenbar. Und mein Anker hat sich wohl auch bald in eine bessere Stelle verbissen. Dennoch wurde es eine sehr unruhige Nacht, der Wind heulte im Rigg, und ich habe mehrere Male mit Landpeilungen(*) den Anker kontrolliert.
Noch am Abend habe ich der Kanalverwaltung eine eMail mit meinem Begehren und den Schiffsdaten geschickt. Über CH11 habe ich mitgehört, daß der Verkehr durch den Kanal die ganze Nacht weiterlief, mehrere dicke Pötte wurden mit Schleppern durchgezogen, dazwischen auch ein paar Segelyachten und Motorboote, die sich nicht mit Warten aufhielten. Deshalb bin ich beim ersten Licht aufgestanden und habe mich abfahrtbereit gemacht.

Ich hatte noch immer keine Antwort auf meine eMail, da habe ich über CH11 die Kanalverwaltung angerufen, und wurde sofort an den Anleger vor ihrem Büro gebeten. Weil der Wind inzwischen sehr heftig geworden war, bestimmt 6Bft, war das keine leichte Sache. Den Anker hochholen ging ja noch, aber das Anlegen am Kai hatte es in sich. Ich bin mit Maschinenkraft recht knapp vor den Kai gefahren, das Schiff längseits gedreht, und habe es den letzten Meter gegen den Kai treiben lassen, es hat trotz der geringen Entfernung ordentlich gerumst. Weil der Wind nicht genau senkrecht auf den Kai stand, begann die Festina Lente sofort mit beängstigendem Tempo am Kai entlangzurutschen. Es war wiedermal sehr stressig, bis das Schiff ordentlich fest war. Im klimatisierten Büro fand ich einen freundlichen Menschen vor, der von meiner eMail nichts wußte, und alle Daten nochmal abfragte. Dann händigte er mir die Rechnung von 220,70€ aus, die ich per Karte bezahlte. Zurück am Schiff wurde ich per CH11 aufgefordert, sofort loszufahren. Die Absperrung (eine Brücke?) verschwand im Wasser, und los ging die Fahrt durch den teuersten Kanal der Welt.
Der Kanal ist ein perfekter Schnitt durch die lokalen Erdschichten, und man sieht mehrere Brüche und Verbiegungen in dieser Schichtung. Wenn einem noch nicht klar ist, wie Erdbeben entstehen, verhilft so eine Kanalfahrt zum Durchblick.
Man hat meine Fahrt wohl durch Kameras genau verfolgt, denn kurz vor dem Ende versank die dortige Absperrung im Wasser, so daß ich ohne Verzögerung in den Golf von Korinth ausfahren konnte.

(*)Durch den Wind gehen: Bei einer Wende wird das Schiff so gedreht, daß der Wind in der Mitte des Manövers von vorne kommt. Dabei braucht man soviel Schwung, daß daß Schiff gegen den Wind nicht nur weiterfährt, sondern man braucht auch genügend Ruderwirkung, um das Schiff weiterdrehen zu lassen. Ist der Wind zu schwach, oder hat man nicht genügend manpower, um das Manöver schnell durchzuziehen, gelingt das nicht. Dann bleibt nur die Halse, bei der der Wind in der Mitte des Manövers von hinten kommt, also nicht bremst. Aus den gleichen Gründen ist Halsen bei Großseglern, Windsurfern und Kiteseglern die einzige Möglichkeit, die Richtung zum Wind zu ändern.
(*) Landpeilungen: Traditionelle terrestrische Navigation wie bei Kolumbus. Man nimmt von mindestens zwei markanten Orten mit dem Peilkompaß eine möglichst genaue Richtung, und schreibt diese auf. Wenn der Anker slippt, verändern sich diese, bleiben sie unverändert, hält der Anker. Alternativ macht das der Navi mit dem Ankeralarm, er gibt Laut, wenn sich der Ort verändert.

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23.6.19

Weil ich keine Lust auf das Rumgedümpel ohne Wind hatte, und das Fahren mit Motor auch nicht sehr erstrebenswert ist, habe ich noch einen Tag in diesem schönen Hafen drangehängt. Für Morgen schauen die Gribfiles schon ein wenig besser aus, da will ich dann ganz früh los, und hoffe, es bis Korinth zu schaffen.

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22.6.19

Der Wind konnte sich nicht entscheiden, ob er von Süden oder Norden kommen will, ein paar Stunden sorum, dann wieder Flaute und ein paar Stunden andersrum, maximal 2Bft, so ging das den ganzen Tag lang. Mir war wichtig, zur Querung der Dampferroute zu segeln, denn dann habe ich Vorfahrt(*), auch gegenüber den großen Pötten. Das hat auch einigermaßen funktioniert, allerdings war der Dampferverkehr geradezu enttäuschend gering. Fern am Horizont ein paar große Schiffe, ein einziger Containerfrachter kam mir so nahe, daß ich ein Ausweichmanöver in Betracht gezogen habe, er ist dann doch mit mehr als 1sm Abstand schnell vorübergezogen.
Da habe ich im Marmarameer und in den Dardanellen eine andere Sorte von Verkehr erlebt. Wenn man von der Verkehrsdichte auf die wirtschaftliche Potenz schließt, kommen die Griechen gegenüber den Türken sehr schlecht weg!

Schließlich mußte ich mir ausrechnen, daß ich so nicht bei Tageslicht in Methana ankomme, habe die Genua runtergenommen und die restlichen 12sm mit Diesel gefahren. Dort bin ich erstmal in den alten Hafen rein, und konnte den im Handbuch vermerkten strengen Geruch der vulkanischen Gase auch richtig erschnuppern. Allerdings war es nicht Methan, wie der Ortsname nahelegt, sondern H2S, Schwefelwasserstoff, der typische Kläranlagengeruch nach faulen Eiern. Ich nehme schon an, daß ein früher Chemiker oder besser Alchmist den Ortsnamen als Grundlage für die Bezeichnungen der Alkan-Reihe(*) genommen hat, sonst wäre die Ähnlichkeit schon arg unwahrscheinlich!
Ich fühlte mich an die Verhältnisse an der Donau erinnert, als mich eine sehr robuste Dame mit Geschrei und wilden Beschimpfungen aus dem Hafen verwies. Ich bin dann ein Stück weiter in den neuen Hafen gefahren, und fand dort eine Pier mit mehreren längseits vertäuten Yachten vor. Da machte ich erstmal genauso fest. Es dauerte nicht lange, da kam der Hafenmeister, kassierte 12€ und machte mir Vorhaltungen wg. meines unsozialen und rücksichtslosen Festmachens, Er hatte aber Verständnis, daß ich allein mit dem senkrechten Festmachen gewisse Schwierigkeiten hatte. Als Kompromiß bot ich an, das mit seiner Hilfe nochmal zu versuchen. Er holte 3 Helfer herbei, und beorderte sie auf die Festina-Lente. Einen wies ich in die Bedienung der E-Ankerwinsch ein, die beiden Anderen postierten sich links und rechts am Heck mit den Festmach-Leinen. Ich übte mich im Rückwärtsfahren. Damit war das "römisch-katholisch"-Anlegen ein Kinderspiel, und klappte beim ersten Versuch perfekt. Es war auch gar kein Wind! Man sieht, mit der nötigen Menge an manpower ist sowas keine Hexerei!

(*)Die Alkane, also einfache Kohlenwasserstoffe werden in der Chemie systematisch mit ursprünglich griechischen Namen versehen. Dabei wird das einfachste Molekül mit Methan (C-H4) bezeichnet. Dieses Gas ist jedoch geruchlos, aber brennbar. Die Reihe geht mit Äthan, Propan, Butan, Pentan Hexan, Heptan, Oktan weiter. Oktan ist der Hauptbestandteil des Benzins.
(*)Nachtrag: Zwischen Athen und der Insel Aegina ist ein Verkehrstrennungsgebiet, in der Karte ausgewiesen. Dort hat ein Segelboot KEINE Vorfahrt. Da habe ich mich geirrt, hatte aber keine Konsquenzen!
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21.6.19

Das Abwarten bringt es nicht, also habe doch die Ankerbucht am Kap Sounion angepeilt, weil es am Weg liegt. Ich hätte das auch schon vor 3 Tagen haben können, aber so ist es vielleicht besser. Der Wind war erwartungsgemäß schlecht, und nach ein paar"gewaltsamen" Segelversuchen habe ich den größten Teil der Strecke wieder mit Diesel gefahren. Die in der Karte als Ankerbucht ausgewiesene Bucht zeigte sich sehr groß, ziemlich voll und nach Süden völlig offen ohne jeden Schutz. Zwar war der Südwind nur sehr schwach, maximal 2Bft, aber der Schwell von den Motorbooten und großen Schiffen hatte ungehindert Zugang. Mit etwas Mühe fand ich eine Lücke um den Anker rauszulassen. Abends kamen dann noch ganze Armeen von hungrigen Schnaken dazu. Da war es an der Walhalla entschieden gemütlicher, die dortige Kühle leichter zu ertragen als die gnadenlose Hitze in Sounion, auch wenn man hier das Orginal vor Augen hat, während es in Regensburg nur die Kopie ist.

Morgen werde ich nochmal einen Versuch unternehmen,die Dampferlinie zu überqueren!


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20.6.19

Eigentlich wollte ich gleich heute morgen zeitig weiterfahren, aber die Gribfiles versprechen keinen guten Wind. Die sinnvolle Tagesetappe beträgt immerhin über 40sm, und führt quer über die Dampferrouten von und nach Athen. Weil da viel Verkehr zu erwarten ist, sollte das schon bei Tageslicht gefahren werden. Bei maximal 2Bft umlaufend gemischt mit Flauten macht das keinen Sinn. Das Dumme ist, die nächsten Tage wird es nicht besser werden. Da werde halt erstmal hierbleiben und abwarten.
Nachmittags habe ich mich dann per Schlauchboot quer über den Naturhafen nach Korissia begeben, auch einen Mini-Market gefunden und ein paar Grundlebensmittel wie Milch und Brot eingekauft, und ich habe mir eine 500ml-Packung Eiskrem geleistet. Während die "normalen" Yachten über den ganzen Naturhafen verteilt vor Anker liegen, waren hier am Kai die Reichen und Schönen mit ihren großen Segelyachten und riesigen Motorbooten versammelt, internationales Publikum, Kanadier, Franzosen, und vor allem Briten, auch ein Schwede, aber kaum Griechen. Ich hatte keine Hemmungen, mich auf eine Bank vor diesem Kai zu setzen, und zu schauen, was die so machen, und dabei mein Eis zu essen, Leider oder auch gottseidank habe ich mich äußerlich so an die Szene angepaßt, mit Bart, Zopf, nicht ganz sauberer und löchriger Kleidung, daß mich jeder sofort als Yachtie erkennt, ich ernte keinern Widerspruch, nicht mal in dieser exclusiven Umgebung, sondern trage offenbar in willkommener Weise zum Lokalkolorit bei, das diese Menschen zwar nicht repräsentieren, aber durchaus suchen! Leider mußte ich mich per Preis an diese Millionärswelt anpassen, für 2l Milch, eine Packung Toastbrot (anderes hatten sie nicht) und 500ml einfache Eiskrem hat man mir 15€ abgenommen. In der heimischen Norma hätte das keine 5€ gekostet.

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19.6.19

Weil die Gribfiles den passenden Wind erst ab 09:00 Uhr versprachen, habe ich mir mit der Abfahrt nach Kea Zeit gelassen. Zwar habe ich gleich außerhalb des Hafens die Genua gesetzt, ein brauchbarer Wind kam aber erst, als ich schon ziemlich aus der Bucht von Karystos herausen war. Auch hielt sich die Stärke in Grenzen, so toll wie gestern war das bei weitem nicht. Überdies konnte ich den Kurs direkt nach Korissia nicht anliegen, ich mußte ein gutes Stück nach Westen vorhalten, damit die Genua nicht ständig einfiel. Noch vor der halben Strecke wurde der Wind weniger und schlief schließlich ganz ein. Gleichzeitig waren im Westen über der Festlandsspitze große Quellwolken zu sehen, und bald verbarg sich der ganze westliche Horizont hinter einem dunklen Schleier. Da zeigte sich, daß sich meine Entscheidung, nicht nach Sounion sondern nach Kea zu fahren, so schlecht nicht war.

Auch um einem möglicherweise drohendem schlimmen Tanz zu entgehen, nahm ich das Segel herunter, und beeilte mich, per Motorkraft nach Korissia in den Hafen zu kommen. Am Spätnachmittag war ich da, und habe in der Naturbucht geankert. Von einem Gewitter oder seinen Begleiterscheinungen war nichts zu merken.


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18.6.19

Die Nacht vor Anker vielleicht 100m vor dem Strand war sehr unruhig, denn sie haben hier keine Mole, die den Schwell abhält. Der kommt von draußen fast ungebremst rein, dreht am Vorgebirge um 90°, und steht genau senkrecht auf den Strand zu. Auch wegen diesem ständigen Geschaukel zog es mich schnell wieder weg. Zuerst wollte ich schon in der Nacht wieder weiter, auch weil der Vollmond hell am Himmel stand, habe das jedoch aus Sicherheitsgründen sein lassen. So habe ich noch ein paar Stunden gewartet, und als der Osthimmel begann, etwas Farbe zu zeigen, zog ich den Anker hoch und bin raus. Obgleich ich nach den Gribfiles 2Bft erwartet hätte, war draußen zunächst gar kein Wind, nur der alte, starke Schwell. Aber bevor ich die frühe Abfahrt wirklich bereuen konnte, kam etwas Wind, und die Sache wurde wieder definierter. Schon bei meinen Abfahrtsüberlegungen in der Nacht habe ich das Feuer auf der Südostspitze von Euböa ganz deutlich gesehen, jetzt, kurz vor Sonnenaufgang, war da nichts mehr. Der Kurs dorthin war klar, etwas achterlicher als raumer Wind(*), damit läuft die Festina Lente optimal, schnell und stabil. Die Genua hatte ich schon oben, ich hätte das Großsegel noch dazusetzen können, aber ich war faul (oder müde), es ging auch so.

Der Wind nahm erwartungsgemäß langsam zu, hörte aber nicht bei den angekündigten 3Bft auf, sondern steigerte sich weiter bis auf vielleicht 6Bft. Die Festina Lente zog mit Rauschefahrt von bis 7kts an der Nordküste von Euböa entlang, ich versuchte, aus dem Kurs soviel Süd wie möglich herauszukitzeln, ohne das Schiff zu destabilisieren, und viel schneller als erwartet hatte ich die Nordostspitze von Euböa querab. Was mich and solchen Stellen immer sehr irritiert, ist, daß ich da ganz deutlich ein Inselchen oder besser eine Felsklippe weit vor dem Kap sehe, von dem aber in der Karte nichts, gar nichts eingezeichnet ist. Da hilft nur, großzügig Abstand halten, mindestens 1sm oder mehr.
Das Halsen auch bei stärkerem Wind habe ich mittlerweilen ganz gut im Griff, man kann sogar sagen, daß ich das Halsen sogar gegenüber der Wende bevorzuge, ganz im Gegensatz zu früher. Ich hole die Schoot auf der anderen Seite erstmal so weit wie möglich dicht, lege sie um die Winsch und setze die Kurbel drauf. dann nehme ich die Kurbel auf der anderen Seite ab. Dann stelle ich das Steuer ein wenig mehr zum Wind hin, sobald der Wind zu weit von hinten kommt, fällt die Genua ein. Das ist der Moment, in dem ich die Schoot mit einem schnellen Schwung von der Winsch löse. Das kann ich mit nur einer Hand, weil dann kein oder nur wenig Zug darauf ist. In der anderen Hand habe ich schon die Schoot der neuen Seite. Sobald die Schoot auf der alten Seite losgeworfen ist, ziehe ich mit allen Kräften und beiden Händen die Schoot so dicht wie möglich durch die Winsch. Derweil dreht das Schiff ganz von alleine weiter durch den Wind. Sobald das Flattern aufhört und der Wind von der anderen Seite in die Genua faßt, kommt die Schoot mit einem gewaltigen Ruck unter Zug, der aber von der Winsch aufgefangen wird. Das ist der Moment, wo im am Steuer versuche, den neuen Kurs zu stabilisieren, und das Steuerrad in der Stellung fest zu legen. Dann muß die Schoot mit der Kurbel für den neuen Kurs passend eingestellt werden. Jede auch kleine Veränderung der Segelstellung wirkt sich auf den Kurs aus. Ich muß daher, sobald das unstabil zu werden beginnt, erstmal das Steuer nachstellen, dann wieder die Schoot nachziehen, und so geht das eine ganze Weile hin und her, bis der neue Kurs exakt und stabil stimmt. Eine gute Viertelstunde harte Arbeit und Streß. Hätte ich das Großsegel oben, müßte ich auch an dessen Schoot noch justieren,.. Dazu muß man wissen, daß sich das Schiff ein ganzes Stück überlegt, sobald der Wind in das Segel greift. kommt dann noch die passende Welle dazu, kann es passieren, daß man dabei aus dem Cockpit herauskatapultiert wird, zumal man an der Schoot mit beiden Händen arbeiten muß, und die Winsch dadurch an die tiefste Stelle an der Seite des Schiffes kommt, knapp über dem Wasser.
Auf dem neuen Kurs das östliche Ende von Euböa entlang nach Süden lief die Festina Lente noch ein Stück besser. Ich hatte mehrmals Gelegenheit, die SOG-Anzeige(*) am Navi auf über 10kts springen zu sehen, GPS-gemessen! Schon bevor ich am Südostkap der Insel angekommen war, war diese schnelle Fahrt zu Ende, weil der Wind stark nachließ und das Herumgurken in den Wellen begann. Gottseidank blieb nach der Rundung des Kaps auch der Schwell weg, damit hörte auch das Schaukeln auf.

Weil Karystos ziemlich tief in einer Bucht liegt, habe ich das Segeln bald aufgegeben, und bin den Rest der Strecke zum Hafen mit Motor gefahren. Weil ich das römisch-katholisch Anlegen allein nicht hinbekomme (ich kann nicht gleichzeitig am Steuer den Kurs stabilisieren und im richtigen Moment den Anker werfen), habe ich wiedermal im Vorhafen vor dem Strand geankert.

(*) etwas achterlicher als raumer Wind: Raumer Wind meint, Wind genau (90°) von der Seite, da ziehen die Segel am besten. Weil sich jedoch der Fahrtwind zu der realen Windrichtung (Vektor-)addiert, wird der Vortrieb umso schlechter, je schneller man fährt. Kommt der Wind jedoch etwas von hinten, so wird der Vortrieb mit der Fahrtgeschwindigkeit besser, mit dieser Windrichtung lassen sich daher die höchsten Fahrtgeschwindigkeiten erreichen.
(*)SOG Die üblichen, sehr weit verbreiteten GPS-Module geben an ihr Mastergerät in regelmäßigem Rhythmus eine ganze Menge Daten weiter. Man kennt das vom Autonavi, der z.B. meist in einer Ecke die Geschwindigkeit anzeigt. Diese Daten haben Namen, die aus 3 Buchstaben bestehen. Weil die Navigationsgeräte für Schiffe sehr viel technischer sind als Autonavis, und weil das GPS sowieso von Nautik herkommt, werden in einem Schiffsnavi diese Daten mit ihren technischen Kürzeln bezeichnet. SOG ist dabei "Speed over Ground", also die Geschwindigkeit. weiter
17.6.19

An der heutigen Tagesetappe habe ich schon seit Tagen herumgeplant, denn offiziell gibt es an der Südspitze von Euböa zwischen Agii Apostoli und Karystos nichts, keinen Hafen keine Ankerbucht, und die Gesamtstrecke ist immerhin etwas über 50sm, nur bei wirklich guten Bedingungen vollständig bei Tageslicht zu schaffen. Nach intensivem Kartenstudium habe ich mir Limnionas Mesopotamou Beach ausgekuckt, nach den spärlichen Infos aus der Karte, den zugehörigen Wetterbedingungen nach den Gribfiles war das eine willkommene Zwischenstation, um den langen Weg nach Karystos wenigstens um 12sm abzukürzen.
Ich habe mir mit der Abfahrt Zeit gelassen, bin erst etwa 09:00 los, und war schon um 12:00 da, auch weil wiedermal draußen sehr viel mehr Wind war, als in den Gribfiles angegeben.
Es ist wie verkehrte Welt, andere würden die beiden letzten Stationen, Agii Apostoli und Limnionas Mesopotamou Beach als geradezu superoptimale Urlaubsorte bezeichnen, alles da, was der Strandurlauber so braucht, Ich jedoch nehme das nur als Gelegenheit für ein paar Stunden Ruhe, und ich sehe zu, so schnell als möglich weiterzukommen.

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16.6.19

Nachdem die Gribfiles für den heutigen Tag etwas günstigere Winde (vor allem gleichmäßiger und ohne Spitzen) versprachen, bin ich zeitig bei Sonnenaufgang losgefahren, Dem windigen Ankerplatz habe ich keine Träne nachgeweint. Was mich da so durchgeblasen hat, war offensichtlich nicht der allgemeine Wind wie in den Gribfiles dargestellt, sondern Fallböen(*), die mir durch das Rigg pfiffen und den Anker zum Schleppen brachten, vielleicht 3 Windstärken mehr als draußen auf See. So habe ich das auch mal kennengelernt.
Zwar traf ich draußen in etwa auf die angekündigten 3 Windstärken, aber dazu ein deftiger Schwell, denn dieser Wind hatte die letzten Tage sehr viel stärker geblasen. Ich habe dann auch mit Mühe die Genua hochgebracht, und habe mit nur dieser die Etappe in Angriff genommen. Zuerst bin ich einen etwas östlicheren Kurs gefahren, damit ich mit gehörigem Abstand um die Landspitze herumkomme, und da lief die Festina Lente mit bis zu 7 Kts (bei etwa 7,5 ist der pysikalische Höchstwert: Rumpfgeschwindigkeit(*) "downwind(*)", leider wie erwartet sehr instabil, ich durfte das Steuer keine Sekunde loslassen, sehr stressig (ich kam mir vor wie der junge Anakin Skywalker bei seinem Raketenrennen). Dann wie geplant mit der Landspitze qerab eine Halse, nicht ganz problemfrei, denn zum dichthholen der Genua auf der anderen Seite muss ich das Steuer ein paar Sekunden loslassen, das nutzt die Festina Lente sofort für Extratouren. Erst im Schuitz der Landspitze von Agii Apostoli habe ich die Genua runtergeholt, konnte sie aber nicht festbinden. So bin ich mit Motor und im Wasser schleifendem Segel(*) den restlichen Weg zum Hafen gefahren. Dort konnte ich im Hafen selbst keinen einzigen Segelmasten sehen, und schon am Eingang ging mein Tiefenalarm los.

Da habe ich auf das Einlaufen in den Hafen selbst verzichtet, und habe mich neben das einzige andere Segelboot weit und breit vor den Strand im Schutz der Mole vor Anker gelegt. Das Beste zum Schluß: schon um 12:00 Uhr war ich da! Das war die bisher schnellste Tagesetappe!


(*)Fallböen: Ein aerodynamisches Phänomen. Im Windschatten von hohen Bergen erwartet man geringeren Wind. Das Gegenteil ist der Fall.
(*)downwind: Die englischen Bezeichnungen sind präziser und nicht so sperrig wie die deutschen: achterlicher Wind.
(*)Rumpfgeschwindigkeit: Bei einem Verdrängerrumpf (wie die Festina Lente) absolute Höchstgeschwindigkeit, durch Interferenz von Bug- und Heckwelle hervorgerufen. Auch mit größter Antriebskraft geht es nicht schneller, es gibt allenfalls Bruch. Anders ist das bei einem Gleitrumpf, eine völlig andere Rumpfform, wie bei den meisten Motorbooten.
(*)Wenn man das heruntergeholte Segel nicht fixieren kann (zu wenig manpower, zu viel Wind, zu heftige Bootsbewegungen) ist es im Wasser am besten aufgehoben, es kann insbesondere nicht flattern. Weil es am Vorstag angeschlagen ist, kann es auch nicht in die Schraube geraten. weiter
15.6.19

Die Gribfiles für den heutigen Tag hielten für meine nächste Tagesetappe wenig Erfreuliches bereit: Ausgerechnet mittags, wenn ich die nächste Landspitze runde, dreht dort der Wind auf 5-6 Bft auf, und das mit meinem geflickten Segel! Da bleibe ich doch besser noch 1 Tag hier, es gibt sowieso genug zu tun! Leider gehen mir einige Grundnahrungsmittel aus, z.B. Brot und Milch. Es gibt zwar reichlich Einkaufsmöglichkeiten hier, aber bei dem starken Wind traue ich mich mit dem Schlauchboot nicht vom Schiff weg, das Zurückkommen könnte schwierig werden!
Außerdem legt der Wind ein Ankerproblem der Festina Lente gnadenlos offen. Sie segelt gegen den Anker! Allein mit Rumpf und Rigg bewegt sie sich im Winkel zum Anker, erst wenn die Kette 90° zur Seite zeigt, wird diese Bewegung mit einem Ruck gestoppt, das Schiff dreht, und es geht in der anderen Richtung genauso wieder los. Diese Belastung, immer 180° hin und her bricht selbst den besten Anker aus und bringt ihn zum Schleppen.
Es gibt da selbstverständlich Mittel dagegen. Ruderlegen habe ich als erstes probiert, es hilft nichts. Wenn ich den Besan gesetzt lasse und ganz dicht hole, hört es auf. Das schaut seltsam aus, ein Schiff vor Anker mit gesetztem Segel!

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14.6.19

Morgens, sehr zeitig habe ich mich Richtung Kymi auf Euböa aufgemacht. Weil die Gribfiles für die ganze Strecke raumen Wind versprochen haben, habe ich gleich außerhalb des Hafens, noch im Schutz der großen Bucht alle Segel gesetzt. Zwar war zunächst der Wind sehr schwach, das hat mir das Segelsetzen erleichtert, aber weiter draußen kam der richtige Wind mit 4 Bft aus der richtigen Richtung, querab, und ließ die Festina Lente stundenlang wie auf Schienen von Anfang an ohne große Kurskorrektur mit 5 kts nach Kymi laufen. Allerdings hatte ich den Eindruck, daß der Wind ständig zunähme, und kurz bevor ich in den Schutz der Landspitze von Euböa schlüpfen konnte, waren allenthalben Schaumkämme auf der See. Die Berge dieser Landspitze sind ziemlich hoch, so fand ich dicht unter Land einen Bereich mit etwas weniger Wind, schaltete den Motor an, und ließ die Segel herunter. Ich habe versucht, sie ordentlich festzubinden, aber die Festina Lente lief sofort aus dem Ruder, und ich mußte diese Arbeit gleich wieder unterbrechen.

Da bin ich erstmal in den Hafen reingefahren. Der hat eine sehr lange Außenmole, an der man gefühlt 1 Stunde entlangfährt. Hinter der Mole, im Vorhafen, lagen schon 3 Segelboote vor Anker, da habe ich auch den Anker runtergelassen, und erstmal die Segel richtig festgebunden. Dann Anker wieder hoch und in den eigentlichen Hafen weitergefahren. Der ist sehr groß, reichlich Platz, aber bei dem starken Wind kann ich ohne Hilfe von Land nicht festmachen, kein Mensch da! Nach einer Runde durch den ganzen Hafen habe ich das aufgegeben, bin zurück in den Vorhafen um dort zu ankern.

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13.6.19

Morgens sah die Welt schon wieder etwas besser aus, und ließ mich einiges Liegengebliebene angreifen. So habe ich gleich nochmal 40l Diesel von der Tankstelle geholt, und die Genua an der Reling festgebunden. Ich habe nun auch mehrere Male beobachtet, wie der Hafenmeister das macht: Angemeldeten Gästen fährt er mit seinem Schlauchboot entgegen, und etwa 200m vor dem Hafen macht er sein Schlauchboot längseits an der Yacht fest. Damit kann er das Schiff nach seinem Gusto steuern. Hat er wohl mit mir auch so gemacht, ich habe es gar nicht bemerkt. So kann er in seinem kleinen Hafen die Schiffe viel dichter packen, als es die einzelnen Skipper tun würden. Auch greift er damit unerfahrenen Charterkapitänen so unter die Arme, daß kein Ärger entsteht. Mit seinem Helfer steht er in permanenter Funkverbindung, der fährt mit einem eDreiradroller in Blitzesschnelle am Kai entlang und ist schon zur Stelle, bis das Schiff da ist. Gemeinsam machen die beiden das Schiff fest, die Besatzung schaut nur zu bzw. darf ihre Festmacher reichen. Ein äußerst effektives Verfahren! Hätte ich in Griechenland nicht erwartet! Habe ich dem Hafenmeister auch gesagt, er war erfreut. So gesehen ist der hohe Tagespreis schon gerechtfertigt. Mit Port Vendres habe ich mal so einen Luxushafen erlebt, der war etwa 50* so groß und doppelt so teuer, aber der Hafennmeister nur passiv, kam nicht aus seinem klimatisierten Büro heraus.

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12.6.19

Der Hafen von Linaria ist zwar eher sehr klein, dafür aber geradezu luxuriös. Ich bin langsam auf den Kai zugetuckert, um mir einen Überblick zu verschaffen und einen freien Platz zu finden. Da stand auf der vordersten Ecke des Fähranlegers ein Mann, heftig zu mir her gestikulierend. Ich merkte erst dann, wie fertig ich war, denn ich leistete keinen Widerstand, und folgte seinen Anweisungen ohne Widerspruch. Er dirigierte mich zu einer freien Stelle, und bevor ich dort war, war er schon in ein motorisiertes Schlauchboot gesprungen, um mich geradezu zu diesem Platz zu schleppen. Gleichzeitig hatte er einen Helfer organisiert, der schon bereitstand, die Leinen zu übernehmen. Ich ließ die beiden machen, und mußte nur noch den Motor ausschalten. Sie hatten mir das Schiff in einer sagenhaften Geschwindigkeit festgemacht, ohne einen Kratzer oder auch nur eine undefinierte Situation. Dann kam das dicke Ende: ein gesalzener Tagespreis, allerdings mit vollem Service, also alles was man sonst auch in DE geboten bekommt. Und dann haben sie mir auch noch eine hölzerne Treppe auf den Kai gestellt. Aber für mich angelegt hat vorher noch keiner!
Es gibt natürlich noch andere Anzeichen, daß ich nicht mehr voll auf der Höhe war, denn ich habe alles nicht sofort tödliche erstmal zurückgestellt, z.B. habe ich die heruntergeholte Genua auf dem Vordeck liegenlassen, und auch diesen Blog nicht sofort weiterbearbeitet. Erst am Nachmittag reifte der Entschluß, trotz der hohen Gebühr noch einen Tag dranzuhängen, damit ich wieder einigermaßen zu meiner alten Leistungsfähigkeit zurückfinde.
Luxuriös war der Hafen auch nach seiner Kundschaft, die Festina Lente war mit Abstand das kleinste Schiff, allerdings waren die anderen Schiffe voll besetzt, mit bis zu 15 Personen, möglicherweise alles Charterschiffe. Keine 20m von meinem Liegeplatz ein "Supermarket", allerdings mit Preisen gegenüber einem ähnlichen Laden in Efstratios in doppelter bis dreifacher Höhe, also etwa 10* soviel wie in DE. Nichtmal 100m weiter eine Tankstelle, der Liegeplatz total ruhig, und keine Schnaken. Gemäß der Priorität habe ich meine durchgeschwitzte Wäsche in die Hafenwaschmaschine gepackt, 6€ (!!!!!) eingeworfen und schon 30min später ein grottenschlechtes Waschergebnis zurückbekommen. Noch abends habe ich mich aufgerafft, an der Tankstelle 40l Diesel zu holen, damit war meine Leistungskapazität für diesen Tag erschöpft.

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11.6.19

Wieder bin ganz morgens früh los. Der Wind war zunächst eher schwach, der alte Schwell noch da, oder sogar noch stärker. Ich habe garnicht versucht, das Großsegel zu setzen, sondern mit der Genua angefangen. Und siehe da, die Festina Lente läuft auch nur mit Genua ziemlich stabil. Weil für die ganze Strecke achterlicher Wind zu erwarten war, blieb der Besan unten. Man kann ihn auch höchsten bis zu einem Halbwindkurs ausfieren(*), denn er stößt dann an den Achterstagen des Besan an. Also nur Genua! wie erwartet, fehlten zu einem reinen Vorwindkurs gute 30°, sodaß ich mein Ziel nicht direkt anliegen konnte. Ich hätte natürlich den vorhandenen Spinnakerbaum(*) auch zum Ausbaumen(*) der Genua nehmen können, aber für solche Experimente fühlte ich mich allein nicht sicher genug. Schon mittags war absehbar, daß keiner der anvisierten Häfen an diesem Tag zu erreichen war. Ich habe mich jedoch für Linaria auf Skyros entschieden, und bin in dieser Richtung erstmal weitergefahren. Am Spätnachmittag hatte ich Skyros auch in Sicht, aber obwohl es bis zum Hafen nur noch 15 sm waren, war es nicht mehr möglich hinzukommen, weil der Wind inzwischen am Einschlafen war und die Geschwindigkeit auf 1,5kts zurückgegangen war -> 10 Stunden! Die Festina Lente läuft auch unter diesen Bedingungen sehr stabil, ohne den Kurs zu verlieren, so habe ich die Nacht dösend verbracht, mich alle 10min von meinem Küchenwecker aufwecken lassen, um den Kurs zu kontrollieren und den Horizont nach anderen Schiffen abzusuchen. Noch vor Sonnenaufgang war der Wind ganz weg, und die Festina Lente hielt auch keinen Kurs mehr.

Ich habe dann die Genua heruntergeholt, und den Motor gestartet. Es dauerte dann jedoch bis Mittag, bis ich schließlich im Hafen war.


(*)Ausfieren bzw. fieren: weiter Herauslassen einer Schoot (die Leine, mit der das Segel passend zum Wind eingestellt wird).
(*) Spinnakerbaum : Eine lange Stange, mit der man ein Segel weit ausstellen kann.
(*)Ausbaumen: Das Nutzen eines Baumes (= horizontal genutzte Stange oder Balken) zum Ausstellen eines Segels. weiter
10.6.19

Etwa um 06:00 Ortszeit bin ich losgezogen. Ich fand außen zwar wie erwartet nur eher leichten Wind, aber einen deftigen alten Schwell vor. Ich bekam den Besan noch einigermaßen gut gesetzt, aber schon mit dem Großsegel begannen die Probleme. Der starke Seegang machte die Kursstabilität der Festina Lente schnell zunichte, so daß sie nicht genügend lange im Wind stehen blieb, und das Fall gleich wieder blockierte. So machte ich das in Etappen, setzte das Fall unter Spannung, dirigierte das Schiff wieder in den Wind, und so weiter, bis das Segel richtig oben war. Inzwischen hatte jedoch der Wind gehörig aufgedreht, statt der angekündigten 3 Bft bliesen mindestens 6, keine Chance, auch die Genua zu setzen, zudem ich dem geflickten Segel so einen Wind nicht zumuten wollte. Die Kombination Groß + Besan erwies sich jedoch für den beabsichtigten Vorwindkurs als besonders wenig geeignet. Die am Vormittag erwartete Winddrehung auf etwas mehr West stellte sich nicht ein. Am späten Vormittag war erkennbar, daß das Ziel so nicht bei Tageslicht erreichbar war. Den Ausschlag gab jedoch die Beobachtung, daß sich im Besan zwei Segellatten aus ihrer Sicherung befreit hatten und hinten aus dem Segel herauswanderten. Bei dem Seegang wollte ich die Reparatur nicht auf See unternehmen, also umgedreht und zurück. Bis Mittag war ich wieder im Hafen von Efstratios. Beim Bergen des Besan konnte ich die lange Segellatte noch greifen und retten, die kurze von weiter oben war schon weg.

Als Strafe für diesen Mißerfolg kam der Schwell von dem starken Wind auch richtig in den Hafen und brachte die4 Festina Lente richtig in Bewegung, sodaß auch noch ein Festmacher bis morgens ziemlich durch war. Zusätzlich quälte mich eine Armee von Schnaken, sodaß keine ordentliche Nachtruhe zustandekam. Wie immer ist durch den starken Seegang einiges zerbrochen. Einige Schapps, die bisher zugeblieben waren, öffneten sich und warfen ihren Inhalt auf den Boden, wo er gut durchmischt wurde.

Morgen 2.Versuch!

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9.6.19

Nachdem ich das neueste Gribfile heruntergeladen und mit meinen Seglernachbarn gesprochen habe, engt sich mein Abfahrtstermin auf morgen vormittag ein. Da wird der Nordwind zunächst eher schwach sein, was mir Gelegenheit gibt, in Ruhe abzulegen, rauszufahren, und die Segel zu setzen, ab Mittag wird er sich auf bis 4Bft verstärken und etwas nach West drehen, was mir einen stabilen Kurs nach Süden ermöglicht. Der Nachteil: Durch den späten Start ist Skiros nicht mehr sicher vor Sonnenuntergang zu erreichen, es könnte eine Nachtfahrt werden. Damit kommt als Ziel auch Kymi (Euböa) in Frage, mit einer Distamz von 67sm, ziemlich sicher nicht mehr bei Tageslicht erreichbar. Je nach der aktuellen Lage könnte man auch die Ostküste von Euböa weiter nach Süden fahren, da wird es aber spekulativ.

Beim Ankern in Myrina mußte ich feststellen, daß der Druckknopf im Bedienteil der Ankerwinsch für "Auf" nicht mehr funktioniert, ich mußte den Anker wiedermal manuell hochholen. Ich habe da aus dem Fundus einen Ersatzknopf eingebaut, es funktioniert erstmal wieder. Bei der Demontage hat der alte Knopf auch die Ursache preisgegeben, denn weil eingklebt, ist er bei der Demontage zerbrochen: Wiedermal innerlich verbrannt, weil ungenügende Strombelastbarkeit. Dem Phänomen bin ich schon beim Stoppschalter für den Motor begegnet, grundsätzliche Installations- bzw. Konstruktionsmängel. Die Abhilfe wird genauso aussehen, Relais dazwischen schalten. Ich habe aber keins mehr, ich hoffe, es geht wenigstens solange, bis ich wieder an Relais komme!

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8.6.19

Hier gibt es nicht viel, kein Wunder bei der geringen Einwohnerzahl. Zudem ist die Insel bei den Griechen wenig beliebt, denn sie war während der Militärdiktatur Gefängnisinsel bzw. Konzentrationslager. Da wird mich nichts länger hier halten. Daher fange ich jetzt schon an, anhand der Gribfiles die Weiterfahrt zu planen. Die nächste Insel muß zwangsläufig Skiros sein, und da der Hafen Achili Marina. Ob es stattdessen eine Ankerbucht in der Gegend wird, kann man erst vor Ort entscheiden. Alternative wäre der Hafen Linaria auf der SO-Seite von Skiros. Das wäre für die Weiterreise etwas günstiger, jedoch 56sm ab Efstriatos Ab So 06 UTC wäre der Wind geeignet, WSW mit 4Bft, bleibt so bis Di 06 UTC, zwar mit ein paar kleineren Winddrehungen, aber niemals stärker als 5Bft. Das müßte reichen, um die 44sm bis Achili Marina bzw. 56sm bis Linaria an einem Tag zu bewältigen. Also sehr früh losfahren, noch vor Sonnenaufgang, damit man mit Sicherheit vor Sonnenuntergang da ist.
Bis dahin jeden Tag ein neues Gribfile herunterladen und diese Verhältnisse überprüfen.

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7.6.19

Nach täglicher Beobachtung der zugehörigen Gribfiles führ ich morgens Richtung Süd nach Efstratios ab. Wie immer erwiesen sich die Prognosen der Gribfiles als zutreffend, leichter Nordwind, also Wind mit ca. 2Bft platt von hinten. Das wäre eigentlich genau passend für den Spinnaker(*), aber nach den Erfahrungen im Schwarzen Meer werde ich dieses sehr teure Segel ohne spezielle Erfahrung oder Unterstützung nicht anfassen. So habe ich diesen Weg mit Besan und Genua unternommen, Großsegel nicht gesetzt, Da habe ich eine weitere Eigenschaft der Festina Lente kennengelernt: Vorwindkurse(*) mag sie überhaupt nicht. So stabil sie mit Amwindkursen(*) fährt, so nervös geht es vor dem Wind zu. So bin ich erstmal etwa 30° westlicher gefahren, damit mehr Stabilität in den Kurs kommt. Als ich dann die Insel am Spätnachmitag querab(*) hatte, fuhr ich eine Halse(*), um direkt auf den Hafen zuzuhalten. Wie in dieser Gegend üblch, wurde der Wind immer schwächer, die Geschwindikeit ging von ursprünglich 4kts auf unter 2Kts zurück, gleichzeitig wurden die Wellen stärker. Das veranlaßte mich, den Motor anzuschalten, und die letzten 3 Meilen mit Diesel zurückzulegen.

Der Inselhafen erwies sich als winzig, gerade mal 2 Liegeplätze für Schiffe mit Tiefgang. Der eigenliche Hafen hatte lediglich knapp 1m Tiefe, für die üblichen Fischerboote ausreichend. Dafür ein riesiger Fährhafen mit 3 Dockstellen für die ganz großen Fähren, ein mindestens 3fach überdimensioniertes EU-Projekt. Das für eine Einwohnerzahl von 200! Es scheint, daß die Griechen mit Finanzen, vor allem mit denen, die sie nicht bezahlen müssen, Maß und Ziel total aus den Augen verloren haben.

(*) Spinnaker: Ein ballonförmiges, symmetrisches, besonders großes Leichtwindsegel. Sehr fotogen, leider schwierig zu beherrschen. Das Unglück diesen Frühsommer auf der Jade wurde durch ungenügende Beherrschung eines solchen Segels verursacht.
(*) Vor dem Wind: Wind von hinten.
(*) Am Wind: Wind von der Seite
(*) Querab: das Ziel liegt an der Seite, so daß man es wie hier mit einer Wende oder Halse direkt erreichen kann.
(*) Halse: Das Schiff so drehen, daß der Wind von der anderen Seite kommt, in der Mitte des Manövers kommt der Wind von hinten (bei der Wende von vorne), dadurch verliert das Schiff im Manöver keine Fahrt, hier wichtig, weil die Fahrt sowieso sehr gering ist. weiter
29.5.19

Schon vor Mittag erwachten meine Lebensgeister wieder, vielleicht durch die Hitze, die sich nach und nach breitmachte. Baden wollte ich ohne anschließende Süßwasserdusche nicht, also Anker hoch und wieder raus auf See.

Die Nordküste von Limnos hatte ich bald hinter mir, aber als ich um die Nordwestecke der Insel rum war, war es aus mit den geschützten Buchten, der starke Südwestwind stand so auf die Westküste der Insel, daß mir keine der auch hier vorhandenen Buchten zum Ankern geeignet schien.

Also bin ich immer weiter getuckert, bis ich noch gut vor Sonnenuntergang am Hafen von Myrina angekommen war. Dort fand ich eine sehr großes, ruhiges, von Molen begrenztes Hafenbecken vor, mit einem leider ziemlich vollbesetzten Kai mit "römisch/katholisch"(*) liegenden Jachten, aber auch einem Dutzend mitten im Hafenbecken ankernden Jachten. Da gesellte ich mich dazu, in einer ausreichend großen Lücke ließ ich den Anker fallen, und konnte nun total ruhig schlafen.

(*)Römisch/katholisch bezeichnet senkrechtes Liegen an einem Kai, nicht längseits. Das erfordert einen Anker in etwa 40m Abstand zum Kai, und von dort zwei Festmach-leinen von Bug bzw. Heck an den Kai. Das ermöglicht etwa 5mal so vielen Jachten an einem Kai anzulegen, und ist im Mittelmeer allgemein üblich. weiter
28.5.19

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mit der Abfahrt aus den Dardanellen mindestens bis Mitternacht zu warten, um bei Tageslicht auf Limnos anzukommen. Als ich den Eindruck hatte, der starke Wind aus Südwest, der genau in die Dardanellen hineinblies, hätte etwas nachgelassen, habe ich mich hinreißen lassen, schon abends, noch bei Tageslicht, aus meinem leidlich geschützten Ankerplatz auszulaufen.

Kaum hatte ich den Schutz der Landspitze verlassen, geriet ich in einen Schwell(*) von mehr als 3 Metern, der die Festina Lente in eine heftige, schraubenförmige Bewegung versetzte. Um dieses wilde Geschaukel etwas zu vermindern, fuhr ich nach Rundung des Vorgebirges von Gallipoli erstmal mehr nördlich, auf die türkische Insel Gökceada zu. Noch bevor ich dort ankam, ging die Sonne unter.

Als es dann schließlich nach etwa 2 Stunden wirklich stockfinster war, tauchte knapp über dem Horizont das Leuchtfeuer der Nordostspitze von Limnos auf. Zuerst unregelmäßig, später ständig weil über dem Horizont. Das war mir eine willkommene Steuermarke, was mir das Kurshalten gewaltig erleichterte. Ich konnte nun auch direkten Kurs auf dieses Feuer nehmen, ohne daß die Festina Lente in wildes Tanzen verfiel.

Pünktlich, als ich die türkischen Hoheitsgewässer gerade verlassen hatte, kam die griechische Küstenwache angefahren, leuchtete mich von allen Seiten ab, und schalteten schließlich ihr Blaulicht an, Gleichzeitig riefen sie mich auf K16 an, wg sprachlicher Schwierigkeiten kam jedoch kein sinnvoller Dialog zustande. Schließlich drehten sie ab und ließen mich alleine weiterfahren. Als ich die Nordostspitze von Limnos querab hatte, hörte auch der wilde Seegang auf. Nun rächte sich meine zu frühe Abfahrt: Ich war sehr, sehr müde, dicht unter Land, direkt vor einer Reihe von Buchten, die nach der Karte perfekten Ankergrund versprachen, konnte ich nicht näher heranfahren, weil es noch zu dunkel war.

Als es endlich hell genug war, lief ich in eine wunderschöne Ankerbucht ein, perfekt geschützt vor Wind und Wellen, tiefes Wasser mit Sandgrund, menschenleer. In der Mitte dieser Bucht ließ ich den Anker raus, und legte mich schlafen,


(*)Schwell ist sind alte Wellen, die aus früheren starken Winden stammen. Dabei sind gewöhnlich die Wellen sehr viel stärker als der aktuelle Wind, eine äußerst ungemütliche Situation.

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